Überbrückungshilfen im Einzelhandel – eine Übersicht

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Unterschiedliche Förderprogramme für unterschiedliche Förderzeiträume

Um die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie zu kompensieren wurden verschiedene staatliche Förderprogramme eingeführt. Neben unterschiedlichen Zeiträumen haben die Förderprogramme auch, teilweise deutlich, voneinander abweichende Regelungen. Die Systematik dieser Förderprogramme bestehen entweder aus einer teilweisen bzw. vollständigen Erstattung bestimmter Fixkosten (Kostenerstattung) oder einer anteiligen Erstattung der Umsatzausfälle (Umsatzerstattung).

Die folgende Abb. 1 zeigt, welche Förderprogramme für welche Zeiträume eingeführt wurden und welche Systematik (Kostenerstattung oder Umsatzerstattung) diese verfolgen:

FörderprogrammFörderzeitraumSystematik
Überbrückungshilfe I06/2020 bis 08/2020Kostenerstattung
Überbrückungshilfe II09/2020 bis 12/2020Kostenerstattung
Novemberhilfe11/2020Umsatzerstattung
Dezemberhilfe12/2020Umsatzerstattung
Überbrückungshilfe III11/2020 bis 06/2021Kostenerstattung
Neustarthilfe01/2021 bis 06/2021Umsatzerstattung
Überbrückungshilfe III Plus07/2021 bis 12/2021Kostenerstattung
Neustarthilfe Plus07/2021 bis 12/2021Umsatzerstattung
Überbrückungshilfe IV01/2022 bis 06/2022Kostenerstattung
Neustarthilfe 202201/2022 bis 03/2022Umsatzerstattung
Abb. 1: Coronahilfen nach Förderprogramme, Förderzeiträume und Systematik

Die praktische Relevanz der Förderprogramme für den Einzelhandel war sehr unterschiedlich. Daher wird in den folgenden Absätzen wird die Relevanz der Coronahilfen in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße untersucht.

Beurteilung der Relevanz der Coronahilfen ist abhängig von der Unternehmensgröße

Zur Beurteilung der Relevanz der Coronahilfen für den Einzelhandel werden zunächst typisiert vier unterschiedlich große Unternehmen betrachtet (vgl. Abb. 2).

UnternehmensgrößeMitarbeiterJahresumsatzBilanzsumme
KleinstunternehmerKeine70.000n/a
Kleinunternehmen3 Mitarbeiter (Teilzeit, je 20 Stunden)250.000n/a
Mittelständler60 Mitarbeiter (Teilzeit und Vollzeit)10.000.0004.000.000
Großer Mittelständler800 Mitarbeiter (Teilzeit und Vollzeit)170.000.00025.000.000
Abb. 2: Vier typisierte Unternehmen

Hinweis: Die Beurteilung der nachfolgenden Relevanz basiert auf eigenen Erfahrungen aus der Betreuung von Mandanten aus dem Einzelhandel. Es handelt sich daher nicht um eine repräsentative Auswertung.

Relevanz der Überbrückungshilfe I im Einzelhandel

Die Relevanz der Überbrückungshilfe I für den Einzelhandel kann insgesamt als gering beschrieben werden, da nur Unternehmen antragsberechtigt waren, die im April und Mai 2020 durchschnittlich 60 % Umsatzrückgang im Vergleich zu April und Mai 2019 erlitten haben. Der erste Corona-Lockdown in Deutschland begann am 22. März 2020 und ging bis 4. Mai 2020, wobei geschlossene Einzelhändler bis 800 qm Verkaufsfläche oder besonders relevante Einzelhändler ohne Flächenbegrenzung bereits ab 20. April 2020 wieder eröffnen durften. Mit Wirkung zum 11. Mai 2020 ist die Begrenzung der Verkaufsfläche weggefallen. Insgesamt wurden so zumeist kein für den Antrag notwendiger Umsatzrückgang erzielt. Die Relevanz der Überbrückungshilfe I für den Einzelhandel ist daher als sehr gering einzustufen.

Relevanz der Überbrückungshilfe II im Einzelhandel

Zum Antrag auf Überbrückungshilfe II war ein Umsatzeinbruch entweder von mindestens 50 % in zwei zusammenhängenden Monaten in den Monaten April bis August 2020 oder ein Umsatzeinbruch von mindestens 30 % im Durchschnitt der Monate April bis August 2020. Als Referenz galten jeweils die Vorjahresmonate.

Die Umsatzentwicklungen im Einzelhandel waren nach unseren Beobachtungen stark unterschiedlich. In bestimmten Branchen (z. B. Möbeleinzelhandel) bestand eine erhöhte Nachfrage, in anderen Branchen (z. B. Handel mit Businesskleidung) konnte ein deutlicher Umsatzrückgang beobachtet werden. Weitere Faktoren waren die Anzahl von Stammkunden, die nach dem Lockdown den Einzelhändler wieder besuchen konnten. Auf der anderen Seite hat die Abhängigkeit von (internationalen) Touristen für Einzelhändler aufgrund teilweise bestehender Reise- oder Übernachtungsbeschränkungen für weniger Kunden und damit höheren Umsatzrückgängen gesorgt.

Wie auch bei der Überbrückungshilfe I konnten Unternehmen, die beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) antragsberechtigt sind, keine Überbrückungshilfe II beantragen. Die Kritieren zum Zugang zum WSF führen dazu, dass der große Mittelständler (Abb. 2) unabhängig davon, ob entsprechende Umsatzrückgänge vorliegen, keine Antragsberechtigung hat.

Die Relevanz der Überbrückungshilfe II für den Einzelhandel ist daher als gering bis mittel einzustufen.

Relevanz der November- und Dezemberhilfe im Einzelhandel

Als Antragsvoraussetzungen zur Gewährung der November– und/oder Dezemberhilfe war die Betroffenheit der Unternehmen von bestimmten Schließungsverordnungen des Bundes und Länder notwendig. Da diese Verordnungen den Einzelhandel nicht betroffen haben, besteht grundsätzlich keine Relevanz der November- und Dezemberhilfe für den Einzelhandel.

Die Rechtsanwaltsgesellschaft Noerr kommt in einem Gutachten vom November 2020 für den Handelsverband Deutschland zu dem Ergebnis, dass der faktische Ausschluss des Einzelhandels von den Regelungen verfassungswidrig sein kann. Dem Gutachten nach wäre eine „analoge Anwendung“ denkbar. Das Gutachten ist frei zugänglich und kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Relevanz der Überbrückungshilfe III im Einzelhandel

Aufgrund der Geschäftsschließungen ab 16. Dezember 2020 bis in den März 2021 hat die Überbrückungshilfe III eine hohe praktische Relevanz bei den von der Schließung betroffenen Einzelhandel erfahren.

Im Förderprogramm der Überbrückungshilfe III sind nun auch größere Unternehmen antragsberechtigt gewesen. Die negative Antragsvoraussetzung, dass das Unternehmen nicht die Größenkriterien für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erfüllen darf, ist weggefallen. Weiterhin nicht antragsberechtigt sind Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von über 750 Mio € im Jahr 2020.

Relevanz der Neustarthilfe im Einzelhandel

Die Neustarthilfe für Soloselbständige (Einkünfte nach § 15 oder § 18 EStG) mit weniger als einem Beschäftigten konzipiert. Aufgrund der normalerweise vorhandenen Mitarbeiteranzahl, auch bei kleinen Einzelhändlern, hat die Neustarthilfe im Einzelhandel grundsätzlich keine Relevanz.

Relevanz der Überbrückungshilfe III Plus im Einzelhandel

Nach unserer Beobachtung kann von einer geringen Relevanz der Überbrückungshilfe III Plus für den Einzelhandel ausgegangen werden. Oft liegen die Umsatzrückgänge zwar im deutlichen zweistelligen Bereich, die Voraussetzung eines Umsatzrückgangs von 30 % wurden allerdings nur in seltenen Fällen erreicht.

Wie auch im Förderungsprogramm „Überbrückungshilfe III“ könnten auch Unternehmen, welche die Antragsberechtigung zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds erfüllen, die Überbrückungshilfe III Plus beantragen. Nicht antragsberechtigt waren aber weiterhin Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. €.

Relevanz der Neustarthilfe Plus im Einzelhandel

Die Neustarthilfe Plus ist wie auch die ursprüngliche Neustarthilfe nur für Unternehmen mit weniger als einem Beschäftigten konzipiert. Klassische Einzelhändler mit Mitarbeitern können daher keine Neustarthilfe Plus beantragen.

Relevanz der Überbrückungshilfe IV im Einzelhandel

Da der Förderzeitraum Januar 2022 bis Juni 2022 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch nicht abgeschlossen ist, kann aktuell nur ein Zwischenfazit getroffen werden.

Viele Einzelhändler leiden weiterhin unter signifikaten, oft zweistelligen, Umsatzrückgängen. Es zeichnet sich auch ab, dass eine gewisse Zahl von Einzelhändler zumindest mit einzelnen Monaten antragsberechtigt sein werden. Die Relevanz der Überbrückungshilfe IV für den Einzelhandel wird nach unserer Beobachtung höher sein, als die Relevanz der Überbrückungshilfe III Plus (Juli 2021 bis Dezember 2021).

Unternehmen, deren weltweiter Umsatz über 750 Mio. € liegt sind weiterhin generell nicht antragsberechtigt.

Relevanz der Neustarthilfe 2022 im Einzelhandel

Wie bei den Förderprogrammen „Neustarthilfe“ und „Neustarthilfe Plus“ ist auch die „Neustarthilfe 2022“ nur für Unternehmen mit maximal einem Beschäftigten konzipiert. Daher hat auch die Neustarthilfe 2022 im Einzelhandel keine Relevanz.

Übersicht der Relevanz der Coronahilfen für den Einzelhandel

Zur Relevanz der Coronahilfen, für die in Abb. 2 genannten typisierten Unternehmen, zeigt die nachfolgende Abb. 3 eine Zusammenfassung der oben ausgeführten Erläuterungen. In Klammer genannt ist ein Stichwort, welches die Begründung für die Einstufung darstellt.

FörderprogrammKleinstunternehmerKleinunternehmenMittelständlerGroßer Mittelständler
Überbrückungshilfe Igeringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)keine Relevanz (WSF)
Überbrückungshilfe IImittlere Relevanz (Umsatzrückgang)mittlere Relevanz (Umsatzrückgang)mittlere Relevanz (Umsatzrückgang)keine Relevanz (WSF)
Novemberhilfegrundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)grundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)grundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)grundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)
Dezemberhilfegrundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)grundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)grundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)grundsätzlich keine Relevanz (Schließungsverordnung)
Überbrückungshilfe IIIhohe Relevanzhohe Relevanzhohe Relevanzhohe Relevanz
Neustarthilfehohe Relevanzkeine Relevanz (Mitarbeiter)keine Relevanz (Mitarbeiter)keine Relevanz (Mitarbeiter)
Überbrückungshilfe III Plusgeringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)
Neustarthilfe Plusgeringe Relevanz (Umsatzrückgang)keine Relevanz (Mitarbeiter)keine Relevanz (Mitarbeiter)keine Relevanz (Mitarbeiter)
Überbrückungshilfe IVgeringe Relevanz (Umsatzrückganggeringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)geringe Relevanz (Umsatzrückgang)
Neustarthilfe 2022geringe Relevanz (Umsatzrückgang)keine Relevanz (Mitarbeiter)keine Relevanz (Mitarbeiter)keine Relevanz (Mitarbeiter)
Abb. 3: Übersicht der Relevanz der Coronahilfen für Unternehmen

Über den Autor

Herr Jan Radinger beträt zur Überbrückungshilfe.
WP/StB Jan Radinger

Jan Radinger ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aus München. Er betreut seit über 10 Jahren mittelständische und große Einzelhändler im steuerlichen Bereich und im Bereich der Jahresabschlusserstellung bzw. Jahresabschlussprüfung. Im Zuge der Covid-19 Pandemie hat Herr Radinger für seine Mandanten aus dem Einzelhandel Anträge auf Überbrückungshilfe in Höhe von bisher insgesamt über 4 Mio. € gestellt und bewilligt bekommen. Ferner hat er auch ein Antrag auf analoge Anwendung der November- und Dezemberhilfe gestellt.

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  • Die Radinger GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft aus München berät kleine, mittelständische und große Einzelhändler aller Rechtsformen. Wir erstellen Steuererklärungen und erstellen oder prüfen den Jahresabschluss.
  • Als registrierter prüfender Dritter reicht Herr Radinger die Anträge auf Überbrückungshilfe beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein und übernimmt die Schlussabrechnung der Überbrückungshilfe, auch wenn der ursprüngliche Antrag durch einen Berufskollegen erstellt wurde.
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